Sie finden es schwierig, in Beziehungen bei sich zu bleiben.
Sie wollen Offenheit und Abgrenzung in der Partnerschaft ausbalancieren.
Sie wollen in echter Herzensverbindung zu anderen sein.
Sie wollen zu sich stehen, haben aber Angst, andere zu verärgern.
Sie wollen Liebe und Partnerschaft in Freiheit leben.
Das Leben des Ich im Wir
Das Bedürfnis nach dem eigenen Leben
Jeder von uns ist etwas Besonderes. Wir sind im wahrsten Sinne des Wortes unvergleichlich. Unsere Einzigartigkeit ist so ausgeprägt, dass wir es als schmerzhaft erleben, wenn es uns nicht gelingt, unser eigenes Leben zu leben. Dieses "eigene" Leben kann durchaus ein Leben sein, das sich in den Dienst für andere stellt, doch sollte dies immer einer selbstbestimmten inneren Sinngebung entsprechen. Alle von außen übergestülpten Ideale verstellen dem Einzelnen den Zugang zu sich selbst. Die seelische Notwendigkeit, das eigene Leben leben zu wollen, lässt uns verstehen, warum das Individuum so intensiv mit der Gesellschaft in Konflikt geraten kann. Denn Gesellschaften sind Gruppen, denen die Tendenz innewohnt, dem Einzelnen vorzuschreiben, welche Rolle er darin zu spielen hat. Die arbeitsteilige, zweckrational beschleunigte Gesellschaft zwingt den Einzelnen oft dazu, sich selbst immer besser in ein System einzupassen, das gar nicht mehr die Bedürfnisse der Menschen im Blick hat. Das führt zu Stress, seelischen Belastungen, Entfremdung und sozialen Spannungen. Hinzu kommt ein immer stärker werdender Konformitätsdruck. Es ist für den Einzelnen oft nicht leicht, sich seiner eigenen Wahrnehmungen, Bedürfnisse und Interessen bewusst zu werden, wenn die gesellschaftskonforme Stimme im Kopf alles kritisiert, was von der "herrschenden Meinung" abweicht.
Das echte Ich sucht den Weg ins Wir
Es ist also eine unserer Lebensaufgaben, zu dem besonderen Menschen zu werden, der wir im Grunde schon sind. Wir sollen uns also auf den Weg der Ich-Werdung begeben. Je mehr wir uns aus der Anpassung an die entfemdenden gesellschaftlichen Normen herauslösen, können wir entdecken, wer wir wirklich sind. Und je mehr wir uns selbst auf authentische Weise erfahren, desto mehr entdecken wir auch, dass es paradoxerweise auch zu unserer Natur gehört, mit allen Menschen und der ganzen Natur in Verbindung zu sein. Mit dieser Einsicht löst sich das gefühlte Dilemma zwischen Ich und Wir auf. Je mehr erkennen, wer wir wirklich sind, desto mehr finden wir aus der Vereinzelung heraus und fangen an, echte Gemeinschaften zu bilden. In gemeinschaftsbildenden Gruppen hört man immer wieder den Satz: "Es tut gut, zu spüren, dass ich mit meinen Gedanken und Gefühlen nicht allein bin, dass ich nicht verrückt bin." Echte Gemeinschaften geben dem Einzelnen Raum, sich in seiner Einzigartigkeit und Richtigkeit zu erleben. Zugleich befriedigen sie das Bedürfnis danach, die Verbundenheit mit anderen und dem Leben insgesamt zu spüren. So stärken Gemeinschaftserfahrungen beides - die Selbstverantwortung und die Mitverantwortung.
Teilmacht leben!
Nach Ruth Cohn, der Begründerin der Themenzentrierten Interaktion, bewegen sich viele Menschen zwischen Allmacht und Ohnmacht. Unter Allmacht versteht sie die selbstüberschätzende "Ich kann alles schaffen und kontrollieren"-Haltung, der viele Menschen in ihrem privaten und beruflichen Leben anhängen. Doch diese (nie erreichte, aber innerlich ersehnte) Allmacht schlägt irgendwann unfehlbar in selbstunterschätzende Ohnmacht um: "Ich schaffe nichts, ich bin nichts, es bringt alles nichts." Nach einer resignativen Phase kehrt man dann wieder zui den hohen Ansprüchen und den Allmachtsfantasien zurück. Hilfreich für die persönliche und gemeinschaftliche Entwicklung ist das Bewusstsein unserer Teilmacht: "Ich bin nicht allmächtig, ich bin nicht ohnmächtig - ich kann - innerhalb gewisser innerer und äußerer Grenzen - wirkmächtig sein!" Im Gefühl der Teilmacht entdecken Sie, dass Sie Ihre eigene Wahrnehmung haben dürfen, dass Sie sich Ihre eigene Meinung bilden und diese klar und kraftvoll vertreten dürfen. Sie merken, dass Sie nicht allein sind und dass es Freude macht, mit Menschen zusammenzukommen, die sich ähnliche Fragen stellen wie Sie. Sie spüren, dass es viele Möglichkeiten gibt, in dieser Gesellschaft mit Ihren besonderen Kräften wirksam zu sein. So können Sie Resignation überwinden, verschüttete Kräfte freisetzen und individuell und miteinander neue Wege gehen.
Eigentlich bin ich ganz anders, ich komme nur so selten dazu. Ödon von Horvarth