Seit März kommentiere ich auf diesen Blogs das Geschehen rund um die Corona-Krise. Inzwischen hat sich die gesellschaftliche Situation verschärft. Eine Spaltung geht durch das Land - in Maßnahmen-Befürworter und Maßnahmen-Gegner. Es herrscht Dialogverweigerung. Ein besonders beunruhigendes Beispiel ist die Weigerung dreier führender medizinischer Fachblätter, eine dänische Studie zur Wirksamkeit der Masken zu veröffentlichen. Auch im beruflichen und privaten Umfeld fällt mir zunehmend auf, dass der Weg des Dialoges selten beschritten wird. Doch gerade das wäre dringend notwendig.
Wir haben es bei der Corona-Krise mit einer vielschichtigen Thematik zu tun. Es geht um Gesundheit, Demokratie, das Verhältnis zwischen Staat und Individuum, das Wirtschaftssystem. Es geht darum, in welche Richtung sich unsere Gesellschaft entwickelt - hin zu mehr oder weniger Fremdbestimmung, hin zu mehr oder weniger Solidarität, hin zu mehr oder weniger Offenheit und Authentizität. Ein einleuchtendes Prinzip in der Konfiktmoderation besagt, dass die Beziehungsebene vor der Sachebene zu klären ist. Das bedeutet: wenn die Konfliktparteien einander feindselig, vorurteilsvoll und kampfbereit gegenüberstehen, dann kann keine konstruktive Diskussion über die besten Lösungen stattfinden. Ein emotional zerstrittenes Ehepaar kann noch nicht einmal ein Regal zusammen aufbauen! Die Sachauseinandersetzung wird vom Beziehungskonflikt überlagert. Aus einem offenen Prozess der Auseinandersetzung wird ein Machtkampf. Ist der Konflikt aber erst einmal auf diese Kampfebene eskaliert, dann ist das Konfliktthema (der wahre Grund, warum die Beteiligten aneinander geraten) nicht mehr erkennbar und damit nicht bearbeitbar. Wir kennen diesen Mechanismus schon lange aus der Politik, wo die Parteien sich weniger an der besten gemeinsamen Lösung als an dem eigenen Machtgewinn orientieren. Die Konsequenz ist, dass die großen Probleme der Zeit - die Umweltkrise, die Krise unseres Wirtschaftssystems und unseres Gesellschaftsmodells, um nur einige zu nennen - von der Politik nicht konstruktiv erörert und einer Lösung zugeführt werden. Es wäre fatal, wenn wir, die Bürger und Bürgerinnen dieses Landes, eine solche machtbezogene Konfliktkultur tolerieren, die darauf abzielt, den "Konfliktgegner" abzuwerten, auszugrenzen und in der öffenlichen Debatte durch Zensur und Diffamierung wirkungslos zu machen. Wir sollten uns dafür einsetzen, dass wir wieder zu "Konfliktpartnern" werden. Dieser Schritt wird möglich, wenn wir einsehen, dass wir bei allen Unterschieden auch gemeinsame Interessen haben und dass wir ohne Toleranz für die Unterschiede, die zwischen uns bestehen, alle verlieren werden. Wenn wir diesen Konflikt lösen wollen, müssen wir einander wieder zuhören.
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Guido Ingendaay
Ich schreibe zu persönlichen, zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Themen. Die gemeinsame Perspektive ist das authentische Leben, das die Möglichkeiten innerer Entfaltung, echter Begegnung und Gemeinschaftlichkeit erforscht. Mehr zu mir finden Sie hier.
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September 2024
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