Irgendwann habe ich es gemerkt und dann kamen mir diese Worte in den Sinn. Ich wiederholte sie, so als müsste ich mich davon überzeugen, dass das Offensichtliche nicht vielleicht doch eine Täuschung war. Doch die Rechnung ergab auch nach mehrmaliger Prüfung dasselbe Ergebnis: Rückzug funktioniert nicht. Für mich, einen Einzelkämpfer, war das eine überwältigende Neuigkeit.
Natürlich gibt es Situationen, in denen Rückzug eine gute Sache ist. Wenn sich eine Beziehungssituation verfährt und die Gefühle heftig, kompliziert und unberechenbar sind, können Distanz und Zurückhaltung ein Weg sein, sich dem Getümmel der wechselseitigen Zuschreibungen und Projektionen zu entziehen, sich vor Eskalationen zu schützen und zu beruhigen. Doch Rückzug als seelischer Dauerzustand, als rettende Insel oder schier vorherbestimmtes Kellerdasein ist tatsächlich keine Lösung. Denn wir nehmen alles, was sich zwischen mir und dir, zwischen mir und euch, zwischen mir und denen je ereignet hat und vielleicht immer noch ereignet mit in die Zurückgezogenheit. Ich bleibe immer in Beziehung, ob ich mir dessen bewusst bin oder nicht. Das klingt erst einmal deprimierend, so als seien Beziehungserfahrungen wie eine Klette, die wir gezwungenermaßen mit uns schleppen ohne Aussicht auf echten Neuanfang. Doch die Sache hat eine helle Seite. Denn die Begegnung mit anderen ist eben das, was uns überleben lässt, und gerade weil sie so wichtig ist, möchte die Natur, dass wir sie pflegen und gut mir ihr umgehen. Nur weil ich mir den Magen mit falschem Essen verderben kann, muss ich nicht lebenslang aufs Essen verzichten. Warum sage ich, dass uns Beziehung überleben lässt? Allein schon der Blick auf die ersten Lebensjahre lässt uns erkennen, wie intensiv das Überleben des Kindes von seinen Eltern - den anderen - abhängt. Dies Abhängigkeit besteht, ob die Beziehung als förderlich oder schädlich erlebt wird; das Kind nimmt vieles hin, solange es nur an der Beziehung festhalten kann. In den ersten Lebensjahren sind wir seelische Klammeräffchen. Später nimmt die ausschließliche Abhängigkeit von bestimmten einzelnen Personen ab, doch was bleibt ist das grundlegende Angewiesensein unseres Nervensystems auf andere Nervensysteme, die wahrnehmen, fühlen und kommunizieren können. Wir brauchen die Resonanz, den Spiegel, den Austausch mit anderen lebenden Wesen. Hier traf mich, den Einzelgänger und Einzelkämpfer (nicht aus Neigung, sondern aus Not), die blitzartige Erkenntnis. Ich kann nicht wissen, wer ich bin, wenn ich ohne ein echtes Du bleibe. Ich brauche dich, um mich zu entdecken, zu spüren, zu erkennen. Dabei muss der du-lose Zustand überhaupt kein Zustand bewusster äußerer Abgeschiedenheit sein. Es ist, wie ich meine, vor allem der Zustand unbewusster innerer Du-losigkeit, der heutzutage so viel Verwirrung, Schmerz und Konflikt stiftet. Denn wenn wir einander in Begegnung und Austausch zum Leben brauchen (und auch in den frühen Jahren geht es dabei nie nur um das „rein physische“ Überleben: gruselige Experimente, die mit Kleinkindern angestellt wurden, ergaben, dass Babys regelrecht verkümmerten, wenn man sie ohne Ansprache, Wärme und Zuwendung fütterte und versorgte), und wenn es dabei vor allem auf die innere Qualität dieser Begegnung ankommt (bloßes Zusammensein reicht nicht), dann muss selbst der eingefleischte Rückzügler zugeben, dass das Problem schwieriger Beziehungen sich nicht durch Vermeidung lösen lässt. Ich brauche echte Begegnung, also eine Beziehung, in der ich mich ganz in Verbindung mit dem anderen erfahre. Nicht nur Rückzug funktioniert nicht. Auch Verstellung, Rollenspiel und Anpassung funktionieren nicht. So wenig wie Beziehungskontrolle, durch die der andere gezwungen werden soll, so zu sein, wie ich ihn haben will. Ob Rückzug, Anpassung oder Dominanz - sie alle können das natürliche tiefgreifende Bedürfnisse nach Kommunikation, Berührung, wechselseitiger Wahrnehmung, Wertschätzung und Liebe nicht befriedigen. Wir brauchen echte Begegnung.. Manche Menschen leben ihr Leben wie im Transitbereich eines Flughafens. Sie sind gerade aus einem Flugzeug ausgestiegen und wandern in den Wartebereich, bis ihr Anschlussflug ausgerufen wird. Im Transitbereich gibt es bequeme Stühle, die Menschen lesen, hören Musik, kaufen etwas Nutzloses ein oder erledigen Emails. Manche sind hektisch, betriebsam und effektiv, andere überlassen sich dem Gang der Dinge. Vor allem aber: man wartet auf den nächsten Flug, unruhig und träge zugleich. Man wartet darauf, dass es endlich passiert. Es, das ist das Leben, das Glück, die Erfüllung.
In Wirklichkeit findet das Leben nicht im Transitbereich zwischen Vergangenheit und Zukunft statt, sondern in dem Raum, in dem wir jetzt leben. Das ist der einzige Raum, den wir je hatten und je haben werden. Dieser Raum ist bereits das Ziel, der Ort der ultimativen Ankunft. Wo sonst sollten wir ankommen, wenn nicht genau an diesen Ort zu dieser Zeit? Ankommen heißt: mir schwirrt nicht der Kopf von dem, was ich vor 5 Minuten, 3 Tagen oder 30 Jahren erlebt habe. Und es heißt: ich fühle mich nicht getrieben, „weiterzukommen“, mich „zu entwickeln“ und „was zu erreichen“. Ich bin einfach da, offen und verfügbar für das, was jetzt geschieht, innen wie außen. Ich lebe. Wahrscheinlich hast du diese Gegenwärtigkeit schon einmal erlebt, spontan und ohne Vorbereitung. Der Anblick einer Blume hat dir die Sprache verschlagen und für einen Moment stand das Leben still. Der Glanz eines Wassertropfens im Sonnenlicht oder der Wind in den Blättern hat dich einkehren lassen in diesen Raum der Gegenwart. Ein zeitloser Moment der Berührung, des Ausatmens, der Freude. Und dann zerbricht der Zauber so einfach, wie er gekommen ist und enttäuscht fühlst du dich zurückkatapultiert in den Strom der Zeitreisenden, die ihr Leben im Transitbereich führen. Dann beklagst du dich: zugegeben, das Glück in der Gegenwart gibt es, ja, aber es ist so flüchtig! Doch stimmt das wirklich? Vielleicht ist nicht die Gegenwart flüchtig, sondern wir. Vielleicht sind wir Zeitflüchtlinge, ruhelose Nomaden, die verlernt haben anzukommen. Wenden wir uns doch dieser verlernten Kunst zu, der Kunst, in der Gegenwart zu leben. Es ist dies jedoch nicht die Gegenwart als Transitbereich zwischen Vergangenheit und Zukunft, sondern ein Gegenwart jenseits der Zeit. In dieser zeitlosen Gegenwart sind Vergangenheit und Zukunft nicht völlig unbekannt, aber sie spielen eine untergeordnete Rolle. Sie sind als Denkoperationen in die Gegenwart integriert, denn manchmal ist es praktisch, sich zu erinnern, was gewesen ist, und sich vorstellen zu können, was passieren könnte. Abgesehen davon, ist die Gegenwart einfach ein zeitloser Raum des Seins, des echten Lebens. Hier und jetzt spielt die Musik. Oder sie spielt gar nicht. "Das Gedächtnis der Menschheit für erduldete Leiden ist erstaunlich kurz. Ihre Vorstellungsgabe für kommende Leiden ist fast noch geringer."
So schrieb Bertold Brecht im Jahr 1952, als es um die Frage einer Wiederbewaffnung Deutschlands nach den Schrecken des Weltkriegs ging. Heute, da sich die politischen Vertreter der Deutschen mehrheitlich dazu entschlossen haben, Panzer an die Ukraine zu liefern, bewahrheitet sich dieser Satz einmal mehr. Denn es scheint den Beteiligten und dem Chor der Zustimmenden nicht bewusst zu sein, was sie tun. Konflikte gehören zum Leben. Sie sind Ausdruck unserer komplexen Natur, da sie ein Bewusstsein für widerstreitende Gegebenheiten in der inneren und äußeren Welt voraussetzen. Es ist ein Zeichen von Intelligenz, dass wir Konflikte erleben. Wenn wir konstruktiv mit ihnen umgehen, können wir an ihnen wachsen. Doch Konflikte lösen auch Stress aus. Je stärker wesentliche Bedürfnisse berührt werden, umso heftiger die Stressreaktion. Zu den typischen Zeichen von Stress gehören Wahrnehmungsverengung, Wirklichkeitsverzerrung, Empathieverlust, Aggression, Irrationalität und Kurzschlusshandlungen. Die erfolgreiche Bewältigung von Konflikten ist stark davon abhängig, ob die Beteiligten ihren Stress realistisch einschätzen können. In einem gewissen Umfang ist die Stressreaktion hilfreich: sie macht wach und mobilisiert Energie für die anstehende Konfliktbewältigung. Steigert sich der Stress jedoch über ein gewisses Maß, bahnt er sich irrationale und destruktive Wege. Im Fall eines Konflikts besteht die große Gefahr also darin, dass der nicht mehr in seiner sinnvollen Dimension erkannt wird - er eskaliert und wird destruktiv. Blinde Eskalation - das ist es, was im Kontext des Russland-Ukraine-Konflikts in diesem Land geschieht. Die militärische Aktion Russlands gegen die Ukraine hat Angst und Schrecken ausgelöst. Das ist verständlich. Doch was sich in der Folge im Bewusstsein vieler Menschen entfaltete, trägt die Züge einer übersteigerten und irrationalen Stressreaktion, in der Angst und Aggresssion die Regie geführt haben. Unter einem Hagelsturm politischer Propaganda stand Russland als Schuldiger für den Konflikt schnell fest. Die Ukraine wurde zum unschuldigen Opfer eines bösen Tyrannen erklärt und somit schien sich für alle Menschen mit Herz als einzige Rolle im Konfliktgeschehen die Rolle des Retters aufzudrängen: "Wir müssen denen helfen, die dem Diktator standhaft entgegentreten - notfalls mit Waffengewalt!" Eine solche Konstruktion des Konfliktgeschehens ist jedoch nur möglich, wenn man wesentliche Aspekte dieses Konflikts ausblendet:
Krieg wird geführt, wenn Krieg befürwortet wird. Krieg wird befürwortet, wenn Angst, Hass und Aggression das Bewusstsein der Menschen vernebeln. Es ist an der Zeit, innezuhalten und nach den wahren Ursachen dieses Konflikts zu suchen. Dazu sind Gespräche und Verhandlungen notwendig, nicht nur auf Seiten der Politiker, sondern auch unter den Bürgern dieses Landes. Es gilt, nicht nur die Gewalt der anderen, sondern auch die eigenen bislang aus dem Bewusstsein verdrängten Aggressionen realistisch wahrzunehmen und anzuerkennen. Wenn die Wahrheit das erste Opfer des Krieges ist, könnte nicht die Wahrhaftigkeit der Einzelnen und der Vielen die Tür zum Frieden öffnen? Es ist höchste Zeit, Bertold Brechts prophetische Warnung aus dem Jahr 1952 ernst zu nehmen: "Lasst uns die Warnungen erneuern, und wenn sie schon wie Asche in unserem Mund sind! Denn der Menschheit drohen Kriege, gegen welche die vergangenen wie armselige Versuche sind, und sie werden kommen ohne jeden Zweifel, wenn denen, die sie in aller Öffentlichkeit vorbereiten, nicht die Hände zerschlagen werden." Bei manchen Infektionskrankheiten ist es so: Wenn ich unvorsichtig bin (oder einfach nur Pech habe), gefährde ich nicht nur mich, sondern auch andere. Mit psychischen Schmerzen ist es auch so. Warum haben wir das bloß vergessen?
Neulich - ich bin mitten in einem Gespräch - taucht dieses Gefühl in der Brust auf. Etwas, das ich gehört habe, tut mir weh. Ich bin gekränkt, merke ich. Ich will mich dagegen wehren, will es mir ausreden. So schlimm kann es doch gar nicht sein. Du hast gar keinen Grund. Doch es hilft nichts, der Schmerz bleibt. Vielleicht, so denke ich, geht er ja weg, wenn ich ja einfach auf andere Gedanken komme, Sport mache, fernsehe oder eine Nacht drüber schlafe. Kann sein, dass das funktioniert. Oder auch nicht. Manche Schmerzen gehen einfach nicht weg. Sie sind irgendwann gekommen und sind immer wieder da, manchmal ganz plötzlich. Will ich meinen Schmerz kennenlernen? Bin ich bereit, ihm - oder besser uns - etwas von meiner kostbaren Zeit zu opfern? Will ich ihm zuhören, auch wenn er zunächst eher einsilbig oder scheu auf meine Fragen antwortet? Eins ist sicher. Wenn ich mit meinem Schmerz nicht ins Gespräch komme, wird er mir dennoch Spannung verursachen und diese Spannung muss dann irgendwohin. Das ist ein Lebensgesetz: Energie steht nicht still. Auch unterdrückter und verleugneter Schmerz legt sich nicht schlafen, sondern er gräbt sich Tunnel, sickert durch, pocht, bohrt und stört. Er macht mich krank, raubt mir den Schlaf oder treibt mich in den Alkohol. Oder er schlägt durch auf dich, weil ich mir einrede, dass du an meinem Schmerz schuld bist, dass du es bist, ohne den mein Leben schmerzfrei und glücklich wäre. Ob als autoaggressiver oder nach außen projizierter Schmerz, er greift an - mich oder dich. Deswegen sind psychischen Schmerzen - von den kleinen Alltagskränkungen bis zu den biografischen Traumata - keine Privatsache. Waren es nie und können es gar nicht sein. Psychische Schmerzen wirken immer nach innen und außen. Gefühle sind hochansteckend. Die unbewusste Weitergabe unverarbeiteter Psychotraumata an ihre Kinder, denen sie bewusst beileibe nichts Böses antun wollen, sind eine harte Realität des Lebens. Transgenerationale Psychotraumata werden, wenn sie nicht aufgelöst und geheilt werden, sogar über viele Generationen hinweg das Leben der übernächsten Generationen überschatten. Wir sind als Menschen alle miteinander zu einem lebendigen Ganzen verwoben. Mein Schmerz kann ganz leicht zu deinem Schmerz werden, und dein Schmerz kann ganz leicht zu meinem werden. Was tun? Sollen wir ein Gesetz verabschieden, das es verbietet, psychischen Schmerz einfach runterzuschlucken und zu verdrängen? Das Gesetz zur Verhütung von Transmissionen verdrängter psychischer Schmerzen, kurz Transmissionsverhütungsgestz (TrVerG) genannt. Wenn sich eine solidarische Mehrheit im Parlament dafür findet, werden in Fußgängerzonen, auf öffentlichen Pätzen, in Gemeindesälen und psychotherapeutischen Praxen Bekenntniskabinen aufgestellt, in denen die Menschen einmal jährlich geschultem Personal ihr Leid offenbaren müssen, damit sie nicht zu Serienkillern werden. Natürlich müsste es dann auch vierteljährliche Boosterbeichten geben, um der zwischenmenschlichen Aggresion keine Chance zur Ausbreitung zu geben. Klingt das absurd? Wenn es um psychischen Schmerzen geht, herrscht (bei Erwachsenen) das Prinzip der Selbstverantwortung. Das ist gut so. Die Beichtpflicht der katholischen Kirche darf als gescheitert gelten; sie hat die Menschen nicht frommer gemacht. Im Gegenteil, sie hat in die Seelen der Menschen quälende Schuldgefühle gepflanzt. Ebensowenig werden die Menschen durch zwangsweise verhängte Infektionsschutzmaßnahmen gesünder. Von den Nebenwirkugen einer Impfung mal ganz abgesehen, ist allein das Übergehen der gesundheitlichen Selbstbestimmung verletzend und entwürdigend. Auch in Gesundheitsdingen muss das Prinzip der Selbstverantwortung walten. Wenn du deine Knochen bei riskanten Skimanövern riskiert, wenn du durch Bewegungsmangel Fettleibigkeit und durch eine falsche Ernährung dein Diabetesrisiko steigerst, ist das deine Sache. Was geschieht, wenn das Prinzip der Selbstverantwortung übergangen wird? Wenn du für deine Verletzbarkeit keine Veranwortung übernimmst, sondern es mir auferlegst, dass dir kein Schmerz widerfahre, dann ist damit eine klassiche psychotraumatisierende Konstellation geschaffen. Solche Konstellationen sind jedem Therapeuten wohlbekannt: Vater oder Mutter unglücklich (meist beide), das Kind merkt das, fühlt sich schuldig und widmet seine Energie fortan der Rettung der geliebten Eltern. Das Resultat ist, dass das Kind seine Eltern doch nicht retten kann, dann aber sein eigenes Leben nicht lebt. Es wird darüber tiefen Schmerz empfinden und man nur hoffen, dass es diese seelische Wunde als Erwachsener bemerkt und sich um Heilung des Schmerzes kümmert. Denn wenn es das nicht tut und selbst wieder Kinder bekommt, geht die leidvolle Geschichte in die nächste Generation über. So ansteckend sind psychische Leiden - Viren sind harmlos dagegen. Mein Schmerz ist zuerst mein Schmerz und dein Schmerz ist zuerst dein Schmerz. Wenn ich meinen Schmerz zu mir nehme und mich seiner Botschaft öffne, dann kann ich ihn überwinden. Er löst sich auf in der Wärme der Empathie und im Licht der Klarheit. Jeder kümmere sich, so gut er kann, um sich selbst und seine Bedürfnisse, körperlich und geistig-seelisch. Er mag sich dazu auch an andere wenden, die ihn dabei unterstützen, den Schmerz zu lösen und zu gesunden. Hier, aber erst hier, trage dann auch ich, wenn ich in welcher Form auch immer von dir um Hilfe gebeten werde, eine Mitverantwortung. Hier wird dein Schmerz auch zu meinem Schmerz. Bislang war dies in einer freiheitlichen Gesellschaft eine Selbstverständlichkeit: Jeder Mensch hat die Freiheit, über seinen Körper selbst zu entscheiden. Was ich esse, wie ich lebe, welche Risiken ich eingehe, von wem ich mich wie ärztlich behandeln lasse - all das, ist zuallererst meine eigene Entscheidung. Wie kommt nun die Regierung dazu, mir dieses Recht nehmen zu wollen? Fremdschutz und Herdenimmunität? Das zentrale Argument lautet hier, dass die Freiheit des Einzelnen dort ende, wo die Rechte anderer berührt werden. Das klingt zunächst logisch. Schließlich darf ich im Straßenverkehr auch nicht bei Rot über die Ampel fahren, nur weil ich das gerade will. Doch dieses ethische Prinzip greift ja nur, wenn auch tatsächlich eine Fremdschädigung dadurch droht, dass ein Mensch sich nicht impfen lässt. Dies ist allerdings nicht der Fall, denn die verfügbaren Impfstoffe schützen weder vor Ansteckung noch vor Übertragung. Sie dienen allein dem Selbstschutz und können niemals dem Ziel der Herdenimmunität dienen. Der Mathematik-Professor Thomas Rießinger, der Daten aus England zum Verhältnis von Impfquote und Neuinfektionen auswertete, schreibt: "In allen Altersklassen haben die Ungeimpften einen deutlich positiven Effekt zu verzeichnen, ihr Infektionsrisiko ist durch die Bank wesentlich niedriger als das der geimpften Population." Interessanerweise hatte der Pharmakonzern Pfizer, wie die Canadian Covid Care Alliance recherchierte, die Studie zur Zulassung seines Impfstoffs überhaupt nie am Ziel einer sterilen Immmunität ausgerichtet, sondern lediglich an der Reduktion von Symptomen. Die Impfungen sollten also überhaupt nicht das Ziel des Fremdschutzes erreichen. Überlastung des Gesundheitssystems? Nun wird diesem Argument entgegengehalten, dass aber immerhin die Impfstoffe vor schweren Verläufen schützten und somit eine positive Wirkung auf die Gesundheitssituation der Gesellschaft insgesamt von ihnen ausgehe. Doch auch dieses Argument steht auf schwachen Beinen, denn die angebliche Überforderung des Gesundheitssystems und insbesondere der Intensivstationen hat nie bestanden und besteht auch jetzt nicht. Wie der Informatiker Tom Lausen anhand der Daten des DIVI-Intensivbettenregisters belegen konnte, bestand zu keinem Zeitpunkt der Pandemie eine Überlastung der Intensivstationen. Zudem sorgten Anreize der Politik dafür, dass Krankenhäuser systematisch Kapazitäten abgebaut haben, um die entsprechenden Fördergelder zu kassieren. Wo es tatsächlich punktuell zu Engpässen in der medizinischen Versorgung kam, ist dies nicht auf eine Flut durch Covid-Patienten zurückzuführen, sondern auf den bereits seit vielen Jahren bestehenden Pflegenotstand. Keine Nebenwirkungen? Weder die Wirksamkeit der Impfstoffe noch die Belastungsgrenzen unseres Gesundheitssystems sind gute Gründe für eine Impfpflicht. Wie steht es denn um die Sicherheit der Impfstoffe? Auch hier lässt sich feststellen, dass die Impfstoffe nicht halten, was seitens der Poltik versprochen wurde. Das für die Erfassung von Impfnebenwirkungen zuständige Paul-Ehrlich-Institut berichtet in seinem Sicherheitsbericht (Stand 31.12.21) von insgesamt 244576 Verdachtsmeldungen, davon rund 30000 schwerwiegenden. Das PEI führt aus, dass schwerwiegende Nebenwirkungen sehr selten seien und nicht das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis der Impfstoffe änderten. Doch muss dabei bedacht werden, dass es eine erhebliche Untererfassung der Impfnebenwirkungen gibt. Die Abrechnungsdaten der Krankenhäuser mit den Krankenkassen (Inek) belegen für 2021 einen sprunghaften Anstieg der Behandlungen von Impfnebenwirkungen: von 1219 (2019) und 1164 (2020) auf 19619 (2022). Dabei geht es nicht um harmlose Befindlichkeitsstörungen, sondern um Erkrankungen, die eine ärztliche Behandlung erforderlich machen (Myokarditis, Embolien, Thrombosen, Lähmungserscheinungen, chronischer Migräne u. v. m.). Jüngst hat auch der (inzwischen entlassene) Vorstand der BKKProVita nach Analyse der Abrechnungsdaten der Behandlungen von Impfnebenwirkungen Alarm geschlagen und vor einer weitaus höheren Zahl von Impfnebenwirkungen gewarnt. Individuelle Entscheidung oder Fremdbestimmung Vielleicht denken Sie ja jetzt, dass ich eine einseitige Sicht auf die Dinge habe, andere Experten sicher zu anderen Schlussfolgerungen kommen und die Impfung doch auch ihre guten Seiten habe. Auf diesen Einwand würde ich entgegnen, dass Sie damit recht haben könnten. Es kann sein, dass ich die Dinge nicht differenziert genug sehe und dass ich wichtige Aspekte übersehe. Doch darin sehe ich kein grundsätzliches Problem und es widerlegt auch nicht meine Argumentation. Denn ich beanspruche nicht, die ganze Wahrheit zu sagen, sondern lediglich meine eigene Sicht darzulegen und daraus meine Schlüsse zu ziehen. Ich will das alleinige Verfügungsrecht über meinen Körper und meine Gesundheit haben. Ich will diese Covid-Impfung nicht. Ich habe mir die Sache angeschaut und mich entschieden. Die Frage ist: Tun Sie, der Sie vielleicht für die Impfung sind, nicht genau dasselbe - einfach nur Ihrer eigenen Sicht folgen? Und da die Experten der Welt über keine Frage jemals vollständig einig sind, müssen wir auch davon ausgehen, dass auch die Experten letztlich nur ihrer je eigenen Sicht gemäß denken und entscheiden. Das ist der Grund, warum die wesentlichen Lebensentscheidungen in der Hand des Einzelnen liegen müssen, denn es ist nur der Einzelne selbst, der für sich und seine Entscheidungen verantwortlich zeichnen kann. Ohne diese Freiheit zur Selbstbestimmung gibt es keine Selbstverantwortung, und ohne Selbstverantwortung verliert die Gesellschaft ihren ethischen Kompass und damit ihre Menschlichkeit. Fazit Die Impfpflicht ist sachlich nicht begründbar. Sie wird nachweislich keine Herdenimmunität fördern und sie bietet bestenfalls nicht mehr als einen Selbstschutz, wobei dieser Vorteil individuell abgewogen werden muss gegen die erheblichen Risiken von Nebenwirkungen. Gesundheitsentscheidungen müssen dem Einzelnen vorbehalten bleiben. Wenn das Parlament tatsächlich beschließen sollte, den Bürger dazu zu zwingen, sich einen experimentellen Impfstoff in den Körper spritzen zu lassen, wäre das nicht nur eine schwere Verletzung der körperlichen Unversehrtheit und der Würde des Menschen, es wäre ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. |
Guido Ingendaay
Ich schreibe zu persönlichen, zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Themen. Die gemeinsame Perspektive ist das authentische Leben, das die Möglichkeiten innerer Entfaltung, echter Begegnung und Gemeinschaftlichkeit erforscht. Mehr zu mir finden Sie hier.
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